Die Tuvas(von und nach Prof. M. Stroh)
Im Zuge der Verbreitung von "Weltmusik" sind Tuva und die
Mongolei musikalisch bekannt geworden. Einige Musikgruppen, haben in den
letzten Jahren mit einem Obertongesang Furore gemacht, der weit von dem
abweicht, was in Deutschland seit Mitte der 80er an Obertonsingen gelehrt
und zelebriert wird. Zudem gilt Tuva seit Andfang der 90er Jahre als ein
Eldorado des Schamanismus, da der dort heimische Schamanismus nach Jahrzehnten
des Verbots inzwischen eine offiziell anerkannte spirituelle und medizinische
Praxis ist und in staatlichen Instituten untersucht, durch diese Institute
gefördert und weltweit propagiert wird.
Interessant ist die enge (gut hör-und nachvollziehbare) Verbindung zwischen Natur und Musik, sowie die Verbindung von Schamanismus (mit einfachen, monotonen Gesängen, Trommeln und Rasseln) mit Folklore/Volksmusik. Folgendes Tonbeispiel stammt von einer CD, die 1993 vom Internationalen Institut für Traditionelle Musik und dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde produziert worden ist. Die MusikerInnen stammen aus der Hauptstadt Karakorum der Mongolei.
Eine dreiwöchige Reise durch die Mongolei hat mir den mongolischen Obertongesang nahe gebracht. Hierzu gibt es hunderte Impressionen
als Fotoshows:
Mongolei_01
Mongolei_02
Mongolei_03
Um die musik der weiten Steppe zu hören gibt es ein Tonbeispiel:
Tonbeispiel "Altjan Magtal" von der CD "Karakorum".
Wer keinen RealOne Player hat, kann ihn sich kostenlos herunterladen. Bitte die site genau lesen, sonst übersieht man den Link auf die kostenlose Version des RealOne Players! Das rm-Format hat den Vorteil, dass man während des herunterladens des Files in den TMP-Ordner schon das Lied hören kann, also keine Wartezeiten in Kauf nehmen muss.
RealOne Player FREE download
Altjan Maagtal.rmj
Die Grundbestandteile des Liedes sind zusätzlich noch in Form eines Midifiles abgelegt:
tuva.mid,
den man sich mit einem geigneten Sequencer (z.B.: Cubasis 50€ oder Massiva v1.14 shareware $30, 1.37 MByte)
Massiva_download
anhören kann. Bitte hierzu den Sequencer oder das Wiedergabegerät (Winamp, Realplayer etc.) auf "Loop" bzw. Wiederholung eintstellen.
Die Notenschrift hierzu kann man in einem entsprechenden Editor natürlich nur ungefähr wiedergeben. Es gibt mittlerweile aber auch schon Zeichen für Noten, die eine Tonhöhe genauer definieren, wie es in moderner Musik häfig benötigt wird. Ein weiteres Midifile enthält eine korrekte Obertonreihe vom 1. bis 50. Teilton auf der Sitar gespielt.
O-Tonreihe.zip O-Tonreihe.mid
Die Stimmung der Töne wird durch Pitchbend (also mikrotonale Verstimmung der gleichschwebend temperierten Tonhöhen) erzeugt. Die einschlägigen Pitchbendwerte können dem Midifile über ein Sequenzer-Programm (z.B. Massiva) entnommen werden. -
Im Sequenzer ist es möglich, eine Obertonreihe bis mindestens zum 50. Glied hörend genau nach zu vollziehen. Ab hier wird es schwierig, Unterschiede zwischen den einzelnen Tönen herauszuhören. Um selber solche MIDI-Files zu erstellen, empfehle ich dazu einen Besuch auf der Seite
Tools
Die bekannteste Musikgruppe ist Huun-Huur-Tu. Empfehlenswert ist die CD "Deep in the Heart of
Tuva", die bei elipsis arts herausgebracht wurde, weil sie ein gut bebildertes booklet enthält. Huun-Huur-Tu machen in ihrer Musik zahlreiche Tiere nach.
Kultureller Hintergrund:
-
Obertongesang als musikalisch-künstlerische Aneignung
von "Natur" neben der tonmalerischen Naturnachahmung (vgl. Video des Konzerts
in Bremen),
-
besondere Atmungstechniken (Hyperventilation) können
zu Bewußtseinsveränderung (Trance) führen,
-
Schamanismus in Tuva: zur "reinen" Trommel-Rassel-Musik mit
Gesangsrezitationen kommen auch musikalische Folklore-Elemente (mit Obertongesang),
-
seit 1989 ist Schamanismus offiziell erlaubt, wird erforscht,
hat ein eigenes "Kulturinstitut" und geht künstlerisch "auf Reisen"
- mit Musikgruppen und Ausstellungen.
Es ist nicht klar, warum es (nur) in bestimmten Kulturen
der Welt ausgeprägten Obertongesang gibt - und warum gerade (auch)
in Tuva und der Mongolei. Interessant ist, dass und wie die Melodie "altjaMagtaal"
unterschiedlich interpretiert werden kann. Die CD "Air Mail: Mongolei" gibt einen Eindruck einer eher "kommerziellen" Import-Aufnahme desselben Liedes, wobei hier der Grundton zum Obertonsingen auf ein europäisches Ohr ausgerichtet wurde und nur im Abspann die traditionelle Form des Liedes erklingt. So müssen wir vorsichtig sein, den Inhalt der käuflichen CD´s mit tuvenischer Obertonmusik mit der ursprünglichen schamanistischen und eher rauhen, fremden Tonwelt gleichsetzen zu wollen.
Literaturhinweis:
- Autor: Prof. Martin Stroh, Uni-Oldenburg, Obertonmusik der Welt
- Alexandra Rosenbohm (Hrsgb.): Schamanen
zwischen Mythos und Moderne. Militzke Verlag Leipzig 1999. (Gute Artikel über den "südsibirischen Schamanismus".)
- Arjopa: Choomii - das mongolische Obertonsingen. Anleitung zum Selbstlernen. Zweitausendeins, Frankfurt 1999 (Mit CD).
- Michael Vetter: Die Obertonschule. wergo, Mainz 1987 ff. (Platten oder Cassetten mit Beiheften).
- Stefanie Wolff: Obertöne (eine Obertonschule). Bauer-Verlag,Freiburg 1984 (Cassette).
- Jonathan Goldman: Heilende Klänge. Die Macht der Obertöne. Knaur, München 1994 (orig. 1992). Darin Kapitel 4: Obertöne im Schamanismus. (Zum Buch gibt es eine Übungscassette.)
- Michael Reimann: Unendlicher Klang. Obertöne in Stimme und Instrumentalmusik. Kolibri-Verlag, Norderstedt 1993.
Gesangtechniken aus Tuva, gelehrt von Kongar-ool Ondar:
Bezeichnung |
Bedeutung |
Stimmtechnik |
sygyt |
Imitation einer milden Sommerbrise, der Gesang
des Vogels |
Obertongesang, vorn im Mund gebildet: üü |
chömii |
Wind, der zwischen den Felsen wirbelt |
Obertongesang, weiter hinten gebildet:
uu |
kargyraa |
heulender Winterwind - oder der Schrei eines
Mutterrindes, das ihr Kind verloren hat |
Sog. Untertongesang mit vagierenden Formanten:
u-o-a |
|
borbangnadyr |
die rollenden Stromschnellen eines Flusses |
Lippen- oder andere Triller |
ezenggileer |
dahintrottelndes Pferd
("ezer" = Sattel) |
pulsierender Luftstrom |
|
chylandyk |
singende Kröten
("chylandyk" = Kröte) |
Verbindung von sygyt und kargyraa |
Hörbeispiele:
hier können die genannten Gesangtsechniken explizit herausgehört
werden.
MP3/rmj-Datei |
mp3  ,  rmj |
mp3  ,  rmj |
mp3  ,  rmj |
mp3  ,  rmj |
Grundtechnik |
chöömej |
kargyraa |
kargyraa |
sygyt |
Zusatztechnik |
|
|
borbangnadyr |
|
MP3/rmj-Datei |
mp3  ,  rmj |
mp3  ,  rmj |
mp3  ,  rmj |
Grundtechnik |
chöömej |
chylandyk |
kargyraa |
Zusatztechnik |
ezenggileer |
bobangnadyr |
ezenggileer |
Beim Erlernen des Obertonsingens ist das Hören genauso wichtig wie die Stimmerzeugung. Oft muß man
einfach hinhören, und schon erkennt man die Obertöne im Klang, sodann fällt es leichter, ihnen bewußt und gezielt nachzugehen.
Eine leichte Einführung in den Obertongesang anhand von Übungen nach Michael Vetter sind im Obertonbrevier zu finden: Obertonbrevier.pdf. In Ergänzung hierzu bitte auch auf der nächsten Seite die Zusammenfassung über den Obertongesang der Welt nebst der Beschreibung gängiger Begleitinstrumente lesen...
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