3.1 Die Sprachmelodie und ihre Wirkung auf die menschliche Seele
Beleuchten wir kurz die Betonung und Sprachmelodie, so ist diese von
Sprache zu Sprache ebenfalls prägend. Trifft man den Melodieverlauf
oder die Silbenbetonung bei einer Fremdsprache nicht, so ist dies ein
sicheres Kriterium für jedermann den non-native- speaker zu erkennen.
Es gibt auch Sprachen, innerhalb derer die Sprachmelodie in einer Weise
von Bedeutung ist, die den Sinn der Begriffe ausmacht, weil sie als Tonsprachen
von der Intonation (hoch, tief, rasch oder langsam steigend oder fallend
usw.) geprägt sind. Ein falscher Sprachton macht hier die Worte und
ihren Zusammenhang absolut unverständlich. Zu diesen Tonsprachen
gehört vor allem die tibeto-chinesische Sprachfamilie (darunter chinesisch,
birmanisch und die Thai-Sprachen) und in Afrika die Bantu-Sprachen, in
denen es bis zu neun Sprachtönen gibt, während das nördliche,
sogenannte Mandarin-Chinesisch mit vieren auskommt. Tonhöhe und Melodie
sind hier also wesentliche und unabtrennbare Bestandteile der Sprache.
Die folgende Figur stellt die nord-chinesischen Sprachtöne und ihre
traditionelle Umwandlung in melodische Formeln dar. Es soll nicht versäumt
werden, die geheimnisvollen Beziehungen zu streifen welche zwischen dem
Klang der zusammengestzten Laute, den Worten und der künstlerischen
Sprachgestaltung bestehen, ganz jenseits aller assoziativen oder begrifflichen
Zusammenhänge.
Man versuche mal, sich einfühlend in die Klangwelt eines vollendeten
Gedichtes einzuleben, wie etwa Goethes "Über allen Wipfeln ist
Ruh" , und man wird dessen innewerden, was hier gemeint ist. Es hängt
mit dem wahren Geheimnis der künstlerischen Form zusammen, welche
als das Wesentliche durch alle Oberflächengestaltung hindurchschimmernd,
diese trägt. Erst der ist ein wahrer Dichter, der aus den Tiefen
der Wortgestaltung schöpft. Von hier aus ist nur noch ein Schritt
zu den magisch wirksamen Formen, welche das Gemüt dessen, der sie
gläubig auf sich einwirken lässt, in gutem Sinne verändern.
In allen Religionen der Welt finden sich solche durch Laut- und Wortgestaltung
wirksame Gebete. Wohl am stärksten wird die magische Wirkung dieser
Lautmagie in einem sogenannten Mantram gefühlt und verwendet, welche
ganz bewusst bestimmte Lautfolgen benutzen, deren einfühlende Wiederholung
durch lautes oder lautloses Einsprechen in der Seele dessen, der sie in
sich aufnimmt entsprechende Veränderung des Bewusstseinszustandes
hervorrufen sollen, wodurch eine Übertragung inneren Seins vom Gebenden
zum Aufnehmenden im Sinne echten Innewerdens zustandekommen soll. Zu diesen
Mantra gehört zum Beispiel das buddhistische "om mani padme
hum".
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